Wenn sich am Ende eines knapp dreistündigen Konzerts die Zuschauerinnen und Zuschauer von ihren Plätzen erheben und frenetischen Applaus spenden, dann muss man als Musikerin und Musiker wohl einiges richtig gemacht haben. Alles richtig gemacht hatten folglich die Ensembles des Antoniuskollegs und des Musikvereins Neunkirchen am vergangenen Samstag.
Die Jabachhalle in Lohmar war mit rund 1000 Menschen gut gefüllt und bot trotz ihrer Größe wieder einen heimeligen Rahmen für das traditionelle Herbstkonzert des Musikvereins. Unter der Gesamtleitung von Christoph Barth erlebten die Konzertbesucher*innen eine facettenreiche musikalische Tour durch ganz unterschiedliche Genres und Musikrichtungen: Im ersten Teil des Konzerts wurden große sinfonische Originalkompositionen präsentiert, während der zweite Teil ganz im Zeichen bunter und schriller Kult-Hits der 1980er-Jahre stand. Es war vielfältig, opulent, knallig und immer wieder rockig.
Das Konzert begann mit sinfonischen Werken, für deren Darbietung zunächst die Bigband verantwortlich zeichnete. In „Epic Gaming Themes“ (Paul Murtha) gelang gleich der Blick zurück, verarbeitet das Stück doch unterschiedliche Themen von Computerspielen der letzten Jahre. War die Stimmung bei Jacob de Haans „Agosto“ (Solistinnen Lenja Unglauben und Jona Grosch) in der musikalischen Beschreibung der Sternschnuppen einer umbrischen Sommernacht noch leicht und unbeschwert, wurde es in Bernard Herrmanns „Psycho Prelude“ plötzlich dramatisch: Parallel zur Musik des Hollywood-Blockbusters „Psycho“ wurde auf der Leinwand im Saal eine wilde Verfolgungsjagd der Bläserklasse 6b durch das Antoniuskolleg präsentiert. Zum Glück war der vermeintliche Bösewicht, Chefkoch Rolf Herchenbach-Rodestock, letztlich doch nur an einem interessiert: einer ausgewogenen Ernährung der flüchtenden Schüler*innen. Wenn Brokkoli als Gemüse auch nicht überall Zustimmung fand – die augenzwinkernde Selbstironie sorgte jedenfalls für so manchen Lacher!
Kreativ war das Team rund um das Herbstkonzert also auch wieder in Fragen der Präsentation. Neben der Moderation des Konzerts durch Jule Haufe und Jonas Leipnitz (beide Q1) wurden über verschiedene Kameras im Saal parallel zu den Stücken unter der Leitung von René Dankert und Luis Fernández-Rottländer Live-Aufnahmen der Musiker*innen eingespielt, die auf einer großen Leinwand hinter den Ensembles zu sehen waren. Dieses bereits von den letzten Live-Konzerten bekannte Vorgehen steigerte die Unmittelbarkeit der musikalischen Erfahrung enorm. Weitere thematisch passende Video-Sequenzen (vorproduziert von Marc Dankert (Q1) und Christoph Barth) sorgten parallel zur Musik für multimedialen Genuss. Das Team um Bastian Begger setzte die Orchester mit professioneller Licht- und Tontechnik gekonnt in Szene.
Nach dem Werk „Music from The Theory of Everything“, einer Reminiszenz an den Physiker Stephen Hawking, und dem Stück „Illuminations“ von Jay Bocook, übergab die Bigband das musikalische Zepter an das Sinfonische Blasorchester. Bei Bocooks Werk hatte Johannes Nißing am Alt-Saxofon noch seine Solokünste unter Beweis stellen könnten. Das zeigte, dass die musikalische Zukunft der Ensembles in den Händen der jungen Generationen gut aufgehoben zu sein scheint.
Das Sinfonische Blasorchester begleitete die Zuschauer*innen mit drei großen Kompositionen in die Pause des Konzerts. In Carl Wittrocks „Lord Tullamore“ konnte man die irische Landschaft mit ihren Hügeln und kleinen Dörfern gewissermaßen „musikalisch fühlen“, während das Opus „Die große Seefahrt 1492“ (Paul Stanek) in den Stürmen des Atlantiks noch einmal die Spannung erhöhte. Alfred Reeds „Armenian Dances, Teil 1“ griffen in ihrer Unbeschwertheit die Freude über die Entdeckung Amerikas des vorangegangenen Werkes auf und boten die beste Grundlage für das, was im zweiten Teil des Konzerts kommen sollte: gute Laune! Wer sich dafür noch stärken wollte, konnte das mit Kaffee, Kuchen, Laugenbrezeln, belegten Brötchen, Currywurst und allerlei Süßigkeiten der 80er-Jahre tun.
Die mittlerweile bereits erfahrenen Musiker*innen der Bläserklasse 6b eröffneten den musikalischen Blick auf die 80er. Luis Merten gab als Gitarrensolist zusammen mit Sänger Fabian Ortsiefer bei John Bon Jovis „Livin‘ on a Prayer“ den Einheizer, bevor das Konzertpublikum mit Cyndi Laupers Hit „True Colors“ (Sängerin Paula Erdmann) endgültig in der poppig-schrillen Welt des oft zitierten „besten Jahrzehnts“ ankam.
Die Vor-Bigband unter dem Dirigat von Benedikt Wippermann behielt die „80er-Vibes“ aufrecht und fügte noch eine weitere Prise Rock hinzu. Stücke wie „Enter Sandman“ (Metallica) und „Like a Prayer“ (Madonna) zeigten eindrucksvoll, dass die 80er-Jahre musikalisch in jeder Hinsicht für Vielfalt und Besonderheit stehen. Von ruhig bis laut, von Elektro bis Rock, alles war dabei. Musikalische Grenzen? Fehlanzeige!
Mit seinem zweiten Auftritt sorgte das Sinfonische Blasorchester neben Nostalgie für zahlreiche Momente des Mitsingens. Bei den Anwesenden war jedenfalls eine beeindruckende Textsicherheit zu beobachten. Und zwar generationenübergreifend! Für den entsprechenden Rahmen sorgte zunächst „Special Guest“ Wolle Opolka, der bereits zu Beginn seines Auftritts mit Thiemo Krass‘ „80er Kult(tour)“ den Nerv seiner Zuhörerschaft traf. Das Medley aus verschiedenen Hits der 80er-Jahre begeisterte, und als Opolka im Anschluss Songs von Marius Müller-Westernhagens Album „Live“ performte, bebte die Halle.
Sängerin Elena Sánchez Bergmann hatte beim Frühjahrskonzert erstmalig als Solistin geglänzt und sorgte im Anschluss mit Songs von Nena für staunende Blicke und das ein oder andere feuchte Auge. Ihre Performance von „99 Luftballons“ war jedenfalls umwerfend, und auch die anderen Stücke aus der musikalischen Karriere Nenas standen dem in nichts nach. Passend dazu sorgten die Schüler*innen der Bläserklasse für die richtige Stimmung, indem sie riesige Luftballons durch den Saal fliegen ließen.
Den Abschluss des Konzerts bildete dann wieder das musikalische Zusammenspiel zwischen Sinfonischem Blasorchester und Sänger Wolle Opolka, der mit einem Medley aus Hits von Herbert Grönemeyer sowie dem zweiten Teil aus Thiemo Krass‘ „80er Kult(tour)“ die Jabachhalle in Lohmar noch einmal so richtig auf Touren brachte. Es wurde gesungen, getanzt und geklatscht.
Wie schon beim Frühjahrskonzert bildete ein Statement gegen Krieg (Udo Lindenberg, „Wozu sind Kriege da?“) den musikalischen Schlusspunkt des Herbstkonzerts 2022. Die traditionellen „Irischen Segenswünsche“ rundeten das Ganze atmosphärisch ab und sorgten für den mittlerweile bekannten emotionalen Abschluss mit anschließenden erneuten Standing Ovations. (SP)