Flucht über das Mittelmeer – ein Drama, das uns täglich den Schlaf rauben müsste

Seit rund zwei Jahrzehnten ist es für die Malteser selbstverständlich, ihre Energie in den Bereichen „Flüchtlingshilfe und Migration“ einzubringen: Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Armut, Gewalt, Krieg und Vertreibung verlassen müssen, stehen im Mittelpunkt der maltesischen Arbeit rund um Unterbringung, Betreuung und Verpflegung. Und doch betrifft das Schicksal von Flüchtenden nicht nur große Organisationen. Es ist ein Thema für uns alle.

Das Leid der Menschen auf der Flucht aus ihren Heimatländern ist vielfältig. Gerade die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer macht seit Jahren beinahe täglich Schlagzeilen: Das Foto des kleinen Alan wurde 2015 zum Symbol dieser Katastrophe. Mit einem roten T-Shirt und einer blauen Hose bekleidet lag er tot an einem türkischen Strand. Ein Moment, an dem Worte der Beschreibung an ihre Grenzen kommen.

Die Flüchtenden werden jedoch immer häufiger bloße Zahlen in den Statistiken der Nachrichten. Das Schicksal der einzelnen Menschen wird zur Sachinformation. Führt man sich jedoch die Zahlen genauer vor Augen, ist insbesondere die steigende Zahl der Toten nur schwer zu ertragen. Wie kann es sein, dass regelmäßig Menschen auf ihrer Flucht vor den Küsten Europas ertrinken? Die Zahl der Toten dort wird alleine in den letzten fünf Jahren auf über 12.000 geschätzt.

Aus einer Initiative zur Hilfe von Flüchtlingen entstand 2015 die Idee zur Gründung der Hilfsorganisation Sea-Eye e.V. Die zivile Hilfsorganisation hat es sich seitdem zur Aufgabe gemacht, dem Sterben auf einer der tödlichsten Fluchtrouten der Welt nicht untätig zuzusehen, sondern Menschen in Seenot zu helfen und damit ihren Beitrag gegen den täglichen Verlust von Menschenleben zu leisten.

Kai Echelmeyer, Referatsleiter „Mitglieder & Ehrenamt“ bei Sea-Eye e.V. war am 30. September 2022 zu Gast am Antoniuskolleg und berichtete vor zahlreichen Kursen der Jahrgangsstufe Q1 von seiner Arbeit (Organisation: Michael Jansen). Schnell wurde beim Vortrag in der Schulkapelle deutlich, dass das Engagement für Menschen in Not eines ist, das von individueller Haltung und persönlichem Engagement geprägt ist.

Echelmeyer schaffte es, das für viele von uns ferne Leid im Mittelmeer greifbar zu machen: Er vermittelte den Schülerinnen und Schülern, was es bedeutet, auf der Flucht vor politischer Verfolgung, Folter und Armut den Weg über das offene Meer anzutreten. Das Einsatzgebiet reiche von Sizilien bis Libyen und sei damit für einzelne Organisationen und Schiffe kaum zu überblicken. Somit sei auch die Hilfe für die Flüchtenden manchmal einfach Glücksache. Umso mehr komme es darauf an, dass sich auch Menschen in Europa als Unterstützer*innen beteiligen würden – sei es aktiv als Hilfskraft vor Ort oder durch finanzielle Unterstützung einzelner Organisationen. Nur ein enges Netzwerk garantiere Erfolg.

Eindrucksvoll erläuterte Echelmeyer Aufbau und Funktionen der eingesetzten Rettungsschiffe und berichtete von eigenen Erfahrungen als Einsatzleitung von Sea-Eye-Missionen in den Jahren 2020 bis 2022. Es wurde mehr als deutlich, wie ergreifend und belastend die Arbeit auf den Schiffen zur Rettung von Menschen in Not sein kann. Allerdings zeige das auch umso deutlicher, wie wichtig ein jeder Rettungsversuch im Sinne der Menschlichkeit und Menschenwürde ist.

Insgesamt sei es, so Echelmeyer, gerade das gemeinsame „Mensch-Sein“, das die Arbeit vor Ort ausmache und die Helfenden antreibe, ihr Engagement fortzusetzen. Bei allem Leid würden vor allem die besonderen und persönlichen Momente an Bord der Rettungsschiffe im Gedächtnis bleiben, die Gespräche und Momente des Lächelns: Fußball sei hier ein verbindendes Thema, auch wenn nie abschließend geklärt werden könne, ob nun Ronaldo oder Messi der bessere Fußballer sei. Diese Momente würden jedoch deutlich machen, dass es die Pflicht eines jeden einzelnen Menschen sei, anderen zu helfen und einer tatenlosen Politik nicht einfach zuzuschauen.

Die anwesenden Schülerinnen und Schüler der Oberstufe waren beeindruckt von den Erfahrungsberichten aus erster Hand, spielt sich das Sterben der Menschen im Mittelmeer doch für sie – wie für uns alle – eben oft nur in der Distanz der Nachrichten ab. Es bleibt zu hoffen, dass solche Impulse der Menschlichkeit wie der Besuch Echelmeyers im Gedächtnis bleiben und zur Motivation eigenen Handelns werden, sei es aktiv vor Ort oder durch politisches und gesellschaftliches Engagement. Jeder hat eine Stimme, und Handlungsmöglichkeiten gibt es viele – Wegschauen und Nichtstun sind keine. (SP)