„Wir waren in einem Land, das abgeschlossen war.“ – Zeitzeugenbesuch lässt Geschichte der DDR aufleben

„Ich erzähle meine Geschichte als ein Beispiel für einen Staat, der offiziell gesagt hat, im Mittelpunkt stehe der Mensch – alle sollten gleich sein…!“ Mit diesen Worten eröffnete Christa Teiner ihren Vortrag, als sie am 09. März 2023 mit den Schülerinnen und Schülern des Antoniuskollegs zu ihrem Leben und ihrer Zeit als Bürgerin der DDR ins Gespräch kam. Im Vorfeld hatte Schülerin Julia Paffrath (Q2) in einem Vortrag die Grundzüge des politischen Systems in der DDR dargestellt und strukturelle wie gesellschaftliche Aspekte und Probleme aufgezeigt.

In den sich anschließenden Ausführungen Teiners wurde schnell deutlich, wie unmenschlich der eigentlich klassenlose Staat seine Bürgerinnen und Bürger behandelte. Sie selber bekam die ganze Härte des Justizsystems zu spüren, nachdem sie im Rahmen der Planung eines Fluchtversuchs verraten und zu insgesamt drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden war.

Die rund 120 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe Q2 folgten den Berichten sehr konzentriert, und in einigen Situationen war es in der Aula der Schule so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Den Jugendlichen wurde deutlich, wie stark der DDR-Staat in das Alltagsleben der Menschen eingriff und wie sehr gerade auch junge Menschen von den Repressalien betroffen waren und darunter litten. In der Schule habe man bei Weitem nicht alles erzählen dürfen, was man zu Hause mit seiner Familie habe teilen können, so das ernüchternde Fazit Christa Teiners.

Die Schülerinnen und Schüler hatten jede Menge Fragen und versuchten insbesondere die Lebensumstände sowie die Zeit Teiners im Gefängnis zu begreifen und zu ergründen. Die Zeitzeugin freute sich über das rege Interesse und beantwortete alle Fragen sehr offen und direkt. Auch bei der Frage nach ihrer Motivation solcher Vorträge an Schulen war ihre Antwort eindeutig: Die DDR sei fraglos ein Unrechtsstaat gewesen, und über einen solchen Staat müsse auch Jahre nach seiner Existenz aufgeklärt werden. Insbesondere jüngere Generationen hätten eine besondere Verantwortung, dass sich Geschichte eben nicht wiederhole. Nicht zuletzt die aktuelle Lage in der Welt zeige ja, dass dieses Risiko immer bestehen bleibe.

Nachdem in den letzten Jahren die Zeitzeugenbesuche zum Schrecken des Nationalsozialismus bereits besonderen Eindruck bei den Schülerinnen und Schülern des Antoniuskollegs hinterlassen haben, stand der Fokus auf das Leben in der DDR dem in nichts nach. Während die zeitliche Distanz zum NS-Staat immer größer werde und lebende Zeuginnen und Zeugen immer seltener als direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner infrage kämen, zeige sich, so Geschichtslehrer Michael Eichinger, dass historische Verantwortung bedeutsam und ein komplexes Thema sei. Die deutsche Geschichte halte zudem viele Facetten bereit, über die es sich lohne, im Sinne einer gemeinsamen gesellschaftlichen Verantwortung ins Gespräch zu kommen. Der Blick auf den DDR-Staat ist eine davon. (SP)